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Immobilia Oktober 2025

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IMMOBILIENRECHTBUNDESGERICHTSENTSCHEIDWENN GELEBTEPRAXIS DIE KÜNDI-GUNG AUSHEBELTDas Bundesgericht hatte kürzlich zuentscheiden, ob die Kündigung einer5½-Zimmer-Wohnung wegen Zahlungsrückstandgültig ist, wennzwischen Vermieter und Mieter einemündliche Vereinbarung über dieVerrechnung von Mietzins und Hauswartlohnbesteht. Auch stellte sich dieFrage, ob die Kündigungen der Nebenräumewirksam erfolgten.TEXT — ANDREA DANIELA PURICELLI, ALISSA SCHWEDA*Der Mieter, der in Zahlungsrückstand geriet, war seit 2005 als Hauswart für den Vermieter tätig.Vor Gericht machte er geltend, dass sein Hauswartlohn den geschuldeten Mietzins mitsamtNebenkosten bereits abdeckte. BILD: JUEFRAPHOTO, STOCK.ADOBE.COMMIETER UND HAUSWART:MIETVERHÄLTNIS MITDOPPELTER ROLLEIm vorliegenden Gerichtsfall war derMieter nicht nur Mieter, sondern er standgleichzeitig als Hauswart der Liegenschaftin einem Arbeitsverhältnis mit dem Vermieter.Mit Schreiben vom 19. Dezember2019 forderte der Vermieter den Mieterzur Zahlung ausstehender Nebenkostenauf, die bis ins Jahr 2013 zurückreichten.Nach Ablauf der Zahlungsfrist kündigte derVermieter dem Mieter am 30. Januar 2020mit amtlichem Formular die Wohnung sowiezwei Nebenobjekte (Luftschutzkellerund Velokeller) wegen Zahlungsrückstandper 29. Februar 2020. Beide Kündigungenwurden separat eingereicht.Nach erfolglosem Schlichtungsversuchklagte der Mieter am 8. September 2020beim Regionalgericht Berner Jura-Seelandgegen den Vermieter. Der Mieter fochtdie Kündigungen an und verlangte derenAufhebung oder eventualiter eine Erstreckungder Mietverhältnisse. Das Regionalgerichterklärte am 14. Dezember 2023 dieKündigungen für unwirksam, das ObergerichtBern bestätigte diesen Entscheid am16. Oktober 2024. Der Vermieter erhob daraufhinBeschwerde in Zivilsachen beimBundesgericht.DIE GELEBTE PRAXIS ZÄHLTZentraler Streitpunkt war die Frage, obder Vermieter das Mietverhältnis, gestütztauf Art. 257d OR, zu Recht ausserordentlichgekündigt hatte. Diese Bestimmungerlaubt eine Kündigung, wenn der Mietertrotz schriftlicher Mahnung mit Kündigungsandrohungin Zahlungsrückstandfälliger Mietzinse oder Nebenkosten bleibt.Entscheidend war dabei, ob ein tatsächlicherRückstand vorlag oder ob, wie derMieter geltend machte, eine mündlicheVereinbarung bestand, wonach der Hauswartlohnden geschuldeten Mietzins inklusiveNebenkosten bereits abdeckte.Unbestritten war, dass der Mieter seit2005 als Hauswart für den Vermieter tätigwar und dafür einen monatlichen Bruttolohnvon 770 CHF erhielt. Unbestrittenwar auch, dass dieser Lohn zumindest teilweisemit dem Mietzins verrechnet wurde.Strittig blieb jedoch, in welchem Umfangdiese Verrechnung vereinbart worden war.Während der Mieter geltend machte, derHauswartlohn habe den gesamten Mietzinsinklusive Nebenkosten voll abgedeckt,sprach der Vermieter lediglich von einerteilweisen Verrechnung.Für die Auslegung dieser Vereinbarunggriff das Gericht auf die Grundsätze dersubjektiven Vertragsauslegung zurück.Massgebend ist, was die Parteien tatsächlichübereinstimmend gewollt haben. Erstwenn dieser Wille nicht bewiesen werdenkann, ist auf das Vertrauensprinzip abzustellen.Da es sich beim inneren Willenum eine nicht direkt beweisbare Tatsachehandelt, sind Indizien wie Verhalten,Begleitumstände und gelebte Praxis entscheidend.Die Vorinstanz kam zum Schluss, dassdie mündliche Vereinbarung über Jahrehinweg gelebt wurde. Die Aussagen desMieters wurden als glaubhaft und konsistentgewertet. Besonders überzeugendwar die Aussage des Mieters, die den Vermietermit den Worten zitierte: Ein «guterHauswart» habe Anspruch auf die Mietesamt Nebenkosten. Diese Aussage wurdedadurch untermauert, dass der Vermieterbereits beim vorherigen Hauswart gleichverfahren war. Die Abwicklung der Vergütung– direkte Überweisung des Lohns andie Verwaltung – stützte diese Darstellungzusätzlich.Ein weiteres starkes Indiz für die volleDeckung war die Tatsache, dass der Vermieterüber 17 Jahre hinweg keine Nebenkostenabrechnungenstellte. Erst Ende 2019und nach der Verschlechterung des Verhältnisseszwischen den Parteien forderteder Vermieter rückwirkend Zahlungen fürEINE GELEBTEMÜNDLICHEVEREINBARUNGZUR VERRECHNUNGVON HAUSWART­LOHN UND MIETEKANN DEN KÜNDI­GUNGSGRUND DESZAHLUNGSRÜCK­STANDS ENT­KRÄFTEN.Nebenkosten der Jahre 2013 bis 2017. DasGericht erläuterte, es sei vorliegend nichtersichtlich, weshalb der Vermieter derartlange auf die Eintreibung dieser Nebenkostengewartet habe.Der Vermieter seinerseits wies auf folgendenSachverhalt hin: Der Mieter habepersönlich Heizöl bestellt und bezahlt,30IMMOBILIA /Oktober 2025

15dieses sei anschliessend mit Nebenkostenverrechnet worden. Das Gericht stellte jedochklar, dass diese Transaktionen erstnach dem Zerwürfnis erfolgten und daherkeine Rückschlüsse auf eine frühere Praxiszuliessen. Zudem habe der Mieter nachvollziehbarerklärt, dass er das Heizöl selbst habebestellen müssen, weil grosse Anbieterden Vermieter nicht mehr belieferten. Ausden eingereichten Vergütungsbelegen mitdem Vermerk «Heizöl» schloss die Vorinstanz,dass der Vermieter den Mieter für dieseAuslagen dann auch entschädigt hatte.Das Bundesgericht hielt fest, dass aufgrundder gelebten Praxis eine entsprechendemündliche Vereinbarung zwischenden Parteien bestand und daher kein Zahlungsrückstandim Sinne von Art. 257d ORvorlag. Die Kündigung der Wohnung wurdedaher als unwirksam erklärt.Fazit für die Praxis: Eine über Jahre gelebtemündliche Vereinbarung zur Verrechnungvon Hauswartlohn und Mietekann den Kündigungsgrund des Zahlungsrückstandsentkräften.FUNKTIONALE EINHEIT VONHAUPT- UND NEBENOBJEKTEN –SCHUTZWIRKUNG BESTÄTIGTDas Bundesgericht beurteilte in einemweiteren Schritt die Wirksamkeit der Kündigungendes Luftschutz- und Velokellers.Gemäss Art. 266e OR können separat vermieteteNebenräume grundsätzlich miteiner Frist von zwei Wochen gekündigt werden.Allerdings gelten die Schutzbestimmungenfür Wohn- und Geschäftsräumeauch für Nebenräume (Art. 253a Abs. 1 OR),sofern deren Nutzung funktional mit demHauptmietobjekt zusammenhängt und Parteiidentitätbesteht, also dieselben Parteienbeide Mietverträge abgeschlossen haben.Die Kündigungen der beiden Nebenräumestützte der Vermieter ebenfalls aufeinen behaupteten Zahlungsrückstand. Damitstellte sich die Frage, ob für diese separatvermieteten Räume die erleichterten Kündigungsregelnvon Art. 266e OR gelten oderDIE SCHUTZ­BESTIMMUNGENFÜR WOHN- UNDGESCHÄFTSRÄUMEGELTEN AUCH FÜRFUNKTIONAL VER­BUNDENE NEBEN­OBJEKTE, WENNDEREN NUTZUNGMIT DEM HAUPT­MIETOBJEKTZUSAMMENHÄNGT.ob die strengeren Schutzbestimmungen desWohnraummietrechts gemäss Art. 253aAbs. 1 OR zur Anwendung kommen. Für dieAnwendung der letztgenannten Vorschriftverlangt das Bundesgericht in ständiger Praxisneben dem funktionalen Zusammenhangdie Parteiidentität.Die Vorinstanz bejahte sowohl denfunktionalen Zusammenhang als auchdie Parteiidentität. So wurden die beidenNebenräume vom Mieter als private Lagerräumegenutzt und befanden sich in derselbenLiegenschaft oder in unmittelbarerNähe zur Wohnung, was ein klarer funktionalerBezug darstellte. Auch die formaleVoraussetzung der Parteiidentität war erfüllt.Zwar trat bei der Familienwohnungzusätzlich die Ehefrau als Mitmieterin auf,doch erkannte das Gericht darin keine relevanteAbweichung.Auf dieser Grundlage wandte die Vorinstanzdie Schutzbestimmungen auch aufdie Nebenräume an und stellte fest, dassder Vermieter gemäss Art. 257d OR eineKündigungsandrohung – auch für die Nebenräume– hätte aussprechen müssen. Dadies unterblieben war, erklärte sie die Kündigungenals unwirksam.Zusammenfassend kam das Bundesgerichtzum Schluss, dass sowohl die Kündigungder 5 1 / 2 -Zimmer-Wohnung alsauch die Kündigungen der Mietverhältnissefür den Luftschutz- und Velokellerrechtlich unwirksam sind.ENTSCHEID DES BUNDESGERICHTS 4A_603/2024 VOM5. MAI 2025*ANDREA DANIELAPURICELLIDie Autorin ist Rechtsanwältinbei der Anwaltskanzlei beelegalRechtsanwälte in Zürich.*ALISSA SCHWEDADie Autorin ist angehende Rechtsanwältinbei der AnwaltskanzleiBaker McKenzie Switzerland AGin Zürich.ANZEIGEGARAIO REMNÄHER AN DERIMMOBILIEWWW.GARAIO-REM.CHERLEBEN SIE PROFESSIONELLEIMMOBILIENBEWIRTSCHAFTUNG MIT EINERNEUEN SOFTWARE-GENERATIONGARAIOREMLEADING PROPTECHIMMOBILIA / Oktober 2025 31

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