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Immobilia Oktober 2025

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IMMOBILIENWIRTSCHAFTLIQUIDATION EINES GENERALUNTERNEHMENSSTEINER AG – FALLEINER SCHWEIZERTRADITIONSFIRMADie Liquidation der Steiner AG beendeteine über hundertjährige Firmengeschichte.Der Niedergang zeigt, wieriskant das Geschäft von Generalunternehmernist – und welche zentraleRolle das Vertragsmodell spielt. Lehrenaus einem tragischen Ende.TEXT—JÜRG ZULLIGER*TRADITIONSREICHES UNTERNEHMENAM ENDE150 Stellen weg, Schulden in dreistelliger Millionenhöhe,eine 110-jährige Geschichte ausgelöscht: Mitder Liquidation der Steiner AG ist einer der bekanntestenGeneral- und Totalunternehmer der Schweizverschwunden. So fasste die NZZ den Fall Steiner zusammen.Prominente Projekte der Firma wie das EinkaufszentrumSihlcity, das Maison de la Paix in Genfoder der Prime Tower in Zürich prägen seit Jahrzehntendas Stadtbild. Doch im Sommer 2024 musste dieFirma Gläubigerschutz beantragen – wenige Monatespäter folgte die Abwicklung.Was als temporärer Rückzug aus dem verlustreichenGeneralunternehmergeschäft begann, endete miteinem Totalschaden. Rund 150 Mitarbeitende verlorenihre Stelle, die Gläubiger müssen wohl über 90% ihrerForderungen abschreiben.Der Neubau des Spitals Wetzikon machte Schlagzeilen. Die Steiner AG kündigte denBauvertrag, obwohl das Gebäude noch nicht fertig war. BILD: KEYSTONE / CHRISTIAN BEUTLEREIN GESCHÄFTSMODELLMIT ENGEN MARGENFür Peter Ilg, Leiter des Swiss Real Estate Institutean der HWZ (Hochschule für Wirtschaft Zürich), istder Fall symptomatisch für die Risiken des Geschäftsmodells.«Man muss sehr grosse Bauprojekte managenund hat oft nur eine sehr dünne Marge. 2 bis 4%EBIT vom Bauvolumen – mehr ist meist nicht drin»,sagt er. Dabei ist EBIT (Earnings before Interest andTaxes) eine wichtige Kennzahl für die Profitabilitäteines Unternehmens.Diese engen Spielräume machen Generalunternehmeranfällig für Kostensteigerungen und Verzögerungen.Verschärft wird die Lage durch das gängige Modellder Festpreisgarantie oder eines Kostendachs. Ilg machtein Beispiel: Wenn ein Bauprojekt für 200 Mio. CHF fixofferiert werde und es am Ende «nur» 10% mehr koste,könne das für einen Generalunternehmer höchst unangenehmeFolgen haben. Bei einer angenommenen EBIT-Marge von 3% führe dies unter dem Strich statt zu einempositiven EBIT von 6 Mio. zu einem negativen EBIT von14 Mio. CHF. «Mit so hohen Verlusten kann die Eigenkapitalbasisschnell erodieren und der GU zum Sanierungs-oder gar Konkursfall werden», warnt Ilg.KOSTENMODELLE IM GU-GESCHÄFTIlg unterscheidet drei gängige Modelle, die über Erfolgoder Misserfolg eines Projekts entscheiden können:– Offene Abrechnung: Der Generalunternehmerreicht die Rechnungen der Handwerker und Unternehmerdirekt an den Bauherrn weiter undverrechnet darauf einen GU-Zuschlag. Steigendie Kosten, trägt der Bauherr das Risiko. FürGENERAL- UNDTOTALUNTER­NEHMENGeneral- und Totalunternehmen(GU/TU) stehen vor vielfältigenHerausforderungen: Finanzierungskosten,Energie- und Baumaterialpreise,Wettbewerb umFachkräfte und um attraktiveGrundstücke und Bauprojekte. Werdiese Herausforderungen und Risikenumsichtigt managt, kann im intensivenWettbewerb bestehen. Vielesuchen eine Renditesteigerung ineigenen Promotionsprojekten, alsoin Projektentwicklungen als Bauherrund GU/TU. Hier sind der Zugangzu Finanzierung und deren Kostenmatch entscheidend.Gleichzeitig sehen sich GU/TU mitsteigenden Anforderungen anNachhaltigkeit, Digitalisierung undTransparenz konfrontiert. Auftraggeberund Behörden erwarten messbareFortschritte in der CO2-Reduktion,eine vernetzte Projektabwicklungund nachvollziehbare Prozesse.Viele Marktakteure reagieren mitEffizienzprogrammen, neuen Kooperationsmodellenoder einemgezielten Rückzug aus unrentablenBereichen. Wie also weiter in dennächsten Jahren? Die Zukunft gehörtjenen, die sich als agile, transparenteund risikobewusste Partnerpositionieren. Doch der Spielraumbleibt eng. Wer bestehen will, mussnicht nur bauen, sondern Vertrauenschaffen.14IMMOBILIA / Oktober 2025

den Generalunternehmer ist dieses Modell vergleichsweiserisikoarm, da er nicht an einer Kostenüberschreitungpartizipieren muss (er erhältsogar mehr Marge, wenn die Kosten steigen).– Beteiligungsmodell: Bauherr und Generalunternehmereinigen sich auf eine Zielgrösse, etwa200 Mio. CHF. Wird das Projekt günstiger, teilenbeide den Gewinn. Wird es teurer, teilen sie dieMehrkosten. Dieses Modell kann Anreize für Kostendisziplinschaffen, birgt aber dennoch Risiken,wenn die Kosten aus dem Ruder laufen.– Kostendach/Fixpreis: Der Generalunternehmergarantiert eine bestimmte Gesamtsumme. FührenVerzögerungen oder technische Probleme zuMehrkosten, trägt er die Differenz. Von allen dreiVarianten geht hier der GU die grössten Risikenein. «Wie das Beispiel oben zeigt, ist dieses Modellfür den GU besonders riskant, vor allem bei Margenvon nur 3%», so Ilg.PRESTIGEPROJEKTE – GLANZ UND RISIKOEinige «eitle» Generalunternehmer streben nachprestigeträchtigen Aufträgen – Spitäler, Stadien odergrosse Bürohochhäuser. Sichtbarkeit und Renommeelocken. «Diese Generalunternehmer wollen, dass dieWerbetafel ihrer Firma an dieser prominenten Baustellehängt. Dafür gehen sie erhebliche Risiken ein»,so Ilg.Solche umkämpften Prestige-Projekte werden oftmit Fixpreisvereinbarungen offeriert und mit knappenMargen kalkuliert. Kleinere und weniger spektakuläreAufträge böten zwar solidere Margen. «Ein Generalunternehmermuss auch viele kleine, rentable Projekterealisieren. Wenn dieser Mix nicht stimmt und er zuviel auf Prestige setzt oder die Kalkulationsabteilungmit der Vorkalkulation solcher komplexer Grossprojekteüberfordert ist, drohen früher oder später finanzielleProbleme», sagt Ilg.Besonders prominent war der Neubau des SpitalsWetzikon. Ende April 2024 beantragte die BauherrinGZO AG Nachlassstundung, weil sie eine auslaufendeAnleihe nicht refinanzieren konnte. Just zu diesemZeitpunkt kündigte die Steiner AG den Bauvertrag –obwohl das Gebäude erst zu rund 70% fertiggestelltwar. Steiner verwies auf erhebliche offene Rechnungenund zweifelte an der Zahlungsfähigkeit der GZO.Diese wiederum hielt dagegen, bis Mitte April seienalle Rechnungen fristgerecht bezahlt worden; einzigeine Zahlung von 3,9 Mio. CHF sei unter anderem wegenGegenforderungen zurückgehalten worden. Zudemmeldeten sich Subunternehmer, die seit Monatenauf ihr Geld warteten, obwohl Steiner von der BauherrschaftZahlungen erhalten hatte.LIQUIDITÄT UND SCHNEEBALLEFFEKTEEin wiederkehrendes Muster im Fall Steiner war dieverspätete Begleichung von Rechnungen. Handwerksbetriebeberichteten, Zahlungen seien mit formalenVorwänden hinausgezögert oder verweigert worden.Solche Praktiken verschafften kurzfristig Luft, schufenaber ein immer grösseres Misstrauen.Peter Ilg nimmt nicht zum Einzelfall Stellung, erachtetaber solche Muster für riskant, wenn auchtypisch für das Geschäftsmodell: «Wenn der Generalunternehmerbei verschiedenen Projekten Verlusteeinfährt, gehen ihm schnell die liquiden Mittel ausund er verwendet die Zahlungseingänge eines Projekts,um dringende, ausstehende Rechnungen auf einer anderenBaustelle zu zahlen.» So entstehe ein Schneeballeffekt:Denn dadurch wird das Ganze für den mitden zahlreichen Verlustprojekten hart geforderten GUnoch komplexer, und er verliert den Überblick nochschneller.FEHLENDE KONTROLLENWas können Unternehmen tun, um solche Entwicklungenzu verhindern? Für Ilg ist klar: «Es braucht bessereinterne Kontrollen. Man muss sicherstellen, dassdie vom Bauherrn bezahlten Gelder tatsächlich für dessenBauprojekt verwendet werden und nicht woandersverschwinden.» Wenn Banken im Auftrag ihrer Baukreditkunden– zum Beispiel beim Kauf einer Wohnungab Plan– den Zahlungsverkehr begleiten, entstehtein wirksames Kontrollsystem: Sie prüfen die eingereichtenRechnungen und gewährleisten, dass nurAusgaben beglichen werden, die tatsächlich die eigeneBaustelle betreffen.Der Untergang von Steiner zeigt exemplarisch, wiegefährlich das Geschäft von Generalunternehmernist. Hohe Komplexität, enge Margen und riskante Vertragsmodellekönnen selbst traditionsreiche Unternehmenzu Fall bringen. Wer auf Fixpreis und Prestigesetzt, läuft Gefahr, in eine Abwärtsspirale zu geraten.Oder wie es Ilg zusammenfasst: «Kurz gesagt: Generalunternehmersein heisst oft hohes Risiko undeine geringe Marge.» Schon ein oder zwei verlustbringendeGrossprojekte könnten die etwas besserenMargen auf den vielen kleinen Projekten so gut wiewegfegen.GESCHICHTE DER STEINER AG – IN KÜRZECarl Steiner-Schuhmacher war im Jahr 1915 der Gründer derspäteren Steiner-Gruppe, die sich zu einem der bekanntestenSchweizer Generalunternehmer (GU) entwickelte. Sein SohnKarl Steiner übernahm den Betrieb und baute ihn ab 1948 zueinem Generalunternehmer aus. 1980 erfolgte die Umwandlungin eine Aktiengesellschaft.Von 2010 bis Ende 2024 gehörte die Steiner-Gruppe zur indischenHindustan Construction Company (HCC). Über dieTochter Steiner India Ltd. war sie auch auf dem indischenMarkt präsent. Ab 2023 zog sich die Steiner AG in derDeutschschweiz aus dem TU/GU-Geschäft zurück; in derWestschweiz war noch die Tochtergesellschaft Steiner ConstructionSA aktiv, die Anfang 2024 an die französische BaugruppeDemathieu Bard verkauft wurde.In ihrer Geschichte realisierte Steiner über 1500 Wohnbauprojekte,540 Geschäftsliegenschaften, 45 Hotels und rund200 Infrastrukturanlagen.Mit Entscheid des Bezirksgerichts Zürich vom 27. September2024 wurde schliesslich das gesamte Immobilienentwicklungsgeschäftder neuen Tochter Steiner Development AGübertragen – der letzte Versuch, einen Teil des Unternehmenszu retten.DER UNTER GANGVON STEINERZEIGT EXEM PLA-RISCH, WIEGEFÄHRLICHDAS GENERAL-UNTERNEHMER-GESCHÄFT IST.*JÜRG ZULLIGERDer Autor, lic. phil. I, istFachjournalist undBuchautor mit demThemenschwerpunktImmobilien undImmobilienwirtschaft.IMMOBILIA / Oktober 2025 15

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